Daniel Viglietti, die letzte große Stimme des Nueava Canción, des neuen politischen Liedes Lateinamerikas, starb am 30. Oktober 2017 im Alter von 78 Jahren. Noch einige Monate zuvor, am 25. Februar, hatte der uruguayische Liedermacher gemeinsam mit dem deutschen Schauspieler Rolf Becker auf der Festveranstaltung »70 Jahre junge Welt« im Berliner Kino »International« ein einmaliges Konzert gegeben. Das Duo beging nicht nur das Jubiläum der Zeitung, sondern feierte auch seine persönliche Wiederbegegnung. Becker arbeitete bereits in den 70er Jahren zusammen mit Viglietti, der elf Jahre im Exil verbrachte. Dieser bedankte sich mit seiner warmen Stimme dafür, dass er gemeinsam mit Becker, diesem »Künstler des Wortes«, in Berlin auftreten durfte. Vor einem halben Jahrhundert war Daniel Viglietti an der Entwicklung des neuen politischen Liedes beteiligt, das in Argentinien, Chile und Uruguay entstand und in ganz Lateinamerika populär wurde. Seine Vertreter waren Linke und wurden von den Militärs gefürchtet und verfolgt. Victor Jara war der populärste von ihnen, der sofort nach dem faschistischen Putsch in Chile im September 1973 verhaftet und ermordet wurde. Viglietti flüchtete im selben Jahr vor der Todesgefahr ins Exil und kam über die Stationen Brasilien und Frankreich nach Köln, wo er auf Rolf Becker, Jahrgang 1935, traf und für einige Hörfunkproduktionen engagiert wurde. Viglietti kann in einem Lied virtuos Klang und Geschwindigkeit verändern, seine Stimme modulieren und mal eben ein paar Gänge höher schalten, um vom puren Song zum emphatischen Mitsing-Chanson zu wechseln. Er sitzt an der Gitarre, daneben steht Rolf Becker und trägt einleitend die entscheidenden Textpassagen in deutscher Übersetzung vor. Lyrik, Melodie und Atmosphäre fesseln bis zur letzten Minute. Etwa als Viglietti »Cruz de Luz« anstimmt, ein Lied, das Victor Jara von ihm gecovert hatte und vom 1966 ermordeten kolumbianischen Befreiungstheologen Camilo Torres handelt. »Sie brachten ihn um, während er sein Gewehr holen wollte / Es war Gott, der schrie: Revolution! / Als er fiel, war da kein Kreuz, sondern Licht / und als sie sich umdrehten / sahen sie: Da waren 100.000, bewaffnet«.